Berlin, 18.10.2022: Das zivilgesellschaftliche Netzwerk AK Rohstoffe fordert auf seinem heute ab 13 Uhr stattfindenden Rohstoffgipfel eine Neuausrichtung der deutschen Rohstoffpolitik. Die zukünftige Rohstoffstrategie der Bundesregierung dürfe nicht länger ignorieren, dass der enorm hohe Rohstoffbedarf Deutschlands auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima gehe, so die Organisationen. In einem heute veröffentlichten Forderungspapier formuliert der Arbeitskreis Anforderungen an eine solche neue Strategie.
„Die bisherigen Rohstoffstrategien der früheren Bundesregierungen von 2010 und 2020 sind gescheitert. Die neue Rohstoffstrategie muss eine Rohstoffwendestrategie sein: Ihr Ziel muss es sein, den Primärrohstoffbedarf in absoluten Zahlen zu senken, eine Kreislaufwirtschaft ins Zentrum zu stellen sowie höchste menschenrechtliche und ökologische Standards entlang der Lieferkette durchzusetzen“, sagt Hannah Pilgrim, Koordinatorin des AK Rohstoffe.
„In Argentinien ist der Lithiumabbau bereits jetzt mit schwerwiegenden Folgen für das fragile Ökosystem in den Abbauregionen verbunden. Die lokalen Gemeinden fürchten um ihre Wasserressourcen und somit um ihre Existenzgrundlage. Der prognostizierte Anstieg des weltweiten Lithiumbedarfs wird die Situation vor Ort weiter verschärfen. Deshalb muss insbesondere die Wahrung der Rechte der indigenen Gemeinden vor Ort gewährleistet werden. Dazu gehört auch das Recht, nach einer vorherigen freien und informierten Konsultation ‚Nein‘ zum Bergbau sagen zu können“, sagt Pia Marchegiani von der Stiftung Umwelt und natürliche Ressourcen FARN, Partnerorganisation von Brot für die Welt aus Argentinien.
„Deutsche Unternehmen sind in der Verantwortung bei ihren Aktivitäten im Ausland. Das deutsche Lieferkettengesetz ist dabei ein erster Schritt. Betroffenen von Dammbrüchen zum Beispiel ist aber schwer zu vermitteln, dass das Lieferkettengesetz ihnen keine Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz schafft, wenn deutsche Unternehmen im Ausland Menschenrechte missachten. Die Bundesregierung muss ihre Rohstoffpolitik ändern und sich bei der EU und den Vereinten Nationen für schärfere Regeln zugunsten der Vulnerablen einsetzen”, sagt Pirmin Spiegel, MISEREOR-Hauptgeschäftsführer. „Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sollte seinen Besuch beim BDI-Rohstoffkongress nutzen, um dies zu bekräftigen.”
„Damit endlich weniger Rohstoffe verbraucht werden, muss die Bundesregierung rechtlich verbindliche Ressourcenschutzziele setzen. D.h. auch, dass Produkte öfter wiederverwendet werden und Recyclingstoffe gegenüber neu produzierten Stoffen Vorrang haben. Deutschland braucht eine kohärente Kreislaufwirtschaftstrategie mit dem Ziel Abfall zu vermeiden, in dem z.B. Recyclingquoten und Ressourceneffizienzziele festgelegt und durchgesetzt werden sowie die Reparaturfähigkeit zum Standard erhoben wird. Wer will, dass Unternehmen in diesem Sinne investieren, muss verlässliche Rahmenbedingungen schaffen”, sagt Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND).
Auf insgesamt drei Panels werden zivilgesellschaftliche Vertreter*innen aus Argentinien, Brasilien, Deutschland und der DR Kongo am Nachmittag mit Vertreter*innen aus den Ministerien, Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften über Alternativen der deutschen Rohstoffpolitik diskutieren.
Die Gesprächspartner*innen sind u.a. Dr. Franziska Brantner (Parlamentarische Staatssekretärin, BMWK), Dr. Bettina Hoffmann (Parlamentarische Staatssekretärin, BMUV), Herwart Wilms (Remondis, Recycling-Unternehmen) und Dr. Manuel Bickel (Wuppertal Institut).
Im Vorfeld des Rohstoffgipfels hatte der AK Rohstoffe vom 10.-17. Oktober die 4. Alternative Rohstoffwoche organisiert. Aktueller Anlass ist die Erarbeitung einer neuen Rohstoffstrategie durch die Bundesregierung, die der AK Rohstoffe als Zivilgesellschaft kritisch begleitet. Der Bundesverband der Deutschen Industrie veranstaltet am 20.10.2022 ebenfalls einen Rohstoffkongress.