„Grüner Stahl? Was soll das sein, ich kenne nur grüne Bäume!“[1]
Bericht der 5. Alternativen Rohstoffwoche und des 2. Rohstoffgipfels des AK Rohstoffe
Bereits zum fünften Mal organisierte das zivilgesellschaftliche Bündnis AK Rohstoffe vom 7.10 bis zum 14.10.2024 die Alternative Rohstoffwoche. In zehn verschiedenen Veranstaltungen gestalteten acht Organisationen aus dem Netzwerk die Woche, in der metallische Rohstoffe und ihre Nutzung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen wurde. Höhepunkt der Woche war der 2. Rohstoffgipfel am 10. Oktober, in dem der AK Rohstoffe gemeinsam mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft aus Deutschland, Brasilien, Südafrika und den Philippinen darüber diskutierte, wie eine ressourcenleichte und global gerechte Rohstoffpolitik der Zukunft aussehen kann.
Zum Auftakt der Woche am Montag luden Brot für die Welt und PowerShift in die Berliner Zionskirche ein, wo die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann aus ihrem frisch erschienenen Buch „Öl ins Feuer - Wie eine verfehlte Klimapolitik die globale Krise vorantreibt“ vorlas. In der anschließenden Diskussion berichtete Busisiwe Thabane von der Bench-Marks Foundation über die lokalen Auswirkungen des Bergbaus in Südafrika und erzählte von ihrer ernüchternde Erfahrung, dass selbst 12 Jahre nach dem Massaker von Marikana, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Minenarbeiter*innen nach wie vor völlig unzureichend sind. Außerdem berichtete Rhoda Viajar von Alyansa Tigil Mina, wie in den Philippinen Bergbauprojekte oft gegen den lautstarken Widerstand lokaler Communities durchgesetzt werden und die lokale Bevölkerung als Konsequenz ihren Zugang zu sauberem Trinkwasser verlieren.
Der Dienstag bot mit gleich vier verschiedenen Veranstaltungen die Möglichkeit, in einem Tag ganz intensiv in die verschiedenen Facetten des Themas Rohstoffe einzutauchen. Im Haus der Statistik Berlin berichtete Bettina Müller, Handelsreferentin bei PowerShift, im Workshop „Europas Weg zur Rohstoffsicherung. Die Rolle von Handelsabkommen und Global Gateway für die grüne Transformation der EU“ über aktuelle Entwicklungen europäischer Handelspolitik und erarbeitete gemeinsam mit den Teilnehmenden eine Übersicht über dessen rohstoffpolitische Instrumente aus Perspektive internationaler Gerechtigkeit. Im Anschluss fand das von FIAN und PowerShift organisierte Webinar „Mining Certifications: why they are not enough” statt. Zu Gast war Nilsun Gürsoy von Inclusive Development International, die den Zertifizierungsprozess einer guineischen Bauxitmine aus Perspektive der Zivilgesellschaft begleitet hat und erlebte, wie bereits bekannte Umwelt- und Menschenrechtsprobleme entgegen aller Versprechungen ignoriert wurden. Am Abend organisierte die Romero Initiative eine Diskussion mit einer mexikanischen Aktivistin über die Bedeutung von Lieferkettengesetzen in Europa zur Unterstützung der Opfer einer Bergbaukatastrophe in Mexiko. Parallel dazu fand eine Diskussionsveranstaltung von Brot für die Welt und der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Lithium statt. Dabei kamen drei Vertreter*innen der internationalen Zivilgesellschaft – Pia Marchegiani (Argentinien - Fundación Ambiente y Recursos Naturales, FARN), Telye Yurisch Toledo (Chile - Fundación Terram) und Aleksandar Matković (Serbien) – sowie die neu gewählte Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Majdouline Sbaï, zu Wort. Sie beleuchteten vielfältige Perspektiven auf die Probleme und politischen Herausforderungen, die mit dem stark nachgefragten Rohstoff Lithium im Kontext der Grünen Transformation verbunden sind.
Am Mittwochnachmittag bot das Futurium Berlin die Gelegenheit, gemeinsam mit den beiden Kuratorinnen Dr. Rosalia Barboukove und Julia Novak, die Ausstellung „Rohstoffe: Schätze der Zukunft“ kennenzulernen. Die Ausstellung wirft einen kritischen Blick auf die immer intensivere Nutzung von Rohstoffen und stellt mittels multimedialer Exponate zahlreicher Künstler*innen Antworten vor, wie eine nachhaltigere Rohstoffnutzung - beispielsweise durch das Konzept der Kreislaufwirtschaft - möglich wäre. Wer sich noch intensiver mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft beschäftigen wollte, konnte im Anschluss am Webinar „Nie wieder Müll? Global gerechte Kreislaufwirtschaft“, von INKOTA-netzwerk e.V. teilnehmen. Randy Adjei und Pricilla Okumo von Footprints Africa und Susanne Langsdorf vom Ecologic Institut diskutierten mögliche Auswirkungen europäischer Gesetzgebungen im Bereich Kreislaufwirtschaft auf den Globalen Süden haben könnte. Footprints Africa stellte zudem Erkenntnisse aus zahlreichen Fallstudien über Konzepte der Kreislaufwirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent vor, und was der Globale Norden daraus lernen kann.
Zum Bergfest der Alternativen Rohstoffwoche wurde am 10.10. nun schon zum zweiten Mal der Rohstoffgipfel durch den AK Rohstoffe ausgerufen. Ziel ist es, Akteur*innen aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und (inter)nationaler Zivilgesellschaft eine Plattform zu bieten, um umfassend über eine zukunftsfähige Rohstoffpolitik zu diskutieren und nächste wichtige Schritte für eine Rohstoffwende zu unterstreichen. Zunächst sprachen Dr. Monika Dittrich vom Wuppertal Institut, Busisiswe Thabane von der Bench Marks Foundation und Thomas Würdinger von der IG Metall mit der Moderatorin des Tages, Susanne Friess. Sie diskutierten über mögliche Handlungsperspektiven aus Perspektive aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zum deutschen Rohstoffkonsum. Dabei sprachen sie auch darüber, wie eine grundlegende Transformation aus der Sicht der Gewerkschaften gestaltet werden könnte und welche gemeinsamen Ansätze im Spannungsfeld zwischen globaler Gerechtigkeit und den Interessen der Arbeitnehmer*innen in der Metallindustrie entwickelt werden können.
Im Anschluss stellte der brasilianische Aktivist Railson Guajajara von Tierra Indígena Caru/Red Iglesias y Minería in einem eindrucksvollen Vortrag dar, wie stark die indigene Bevölkerung in Brasilien unter Bergbau und der dazugehörigen Infrastruktur leidet. Er mahnte, dass die industrielle Lebensweise im Globalen Norden, deren Wohlstand vor allem auf der maßlosen Ausbeutung und Zerstörung des Planeten beruht, keine Zukunft haben darf.
Die Schlussfolgerung, dass der grenzenlose Ressourcenbedarf des Globalen Nordens kein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell sein kann, wurde auch von Prof. Dr. Stefan Bringezu, Mitglied der International Resource Panels, unterstützt. Er unterstrich wie wichtig es sei, den Rohstoffkonsum in Deutschland gesetzlich mit Obergrenzen zu versehen. Zur Umsetzung effektiver Reduktionsziele stellte er vor, wie mit einem Rohstoff-Fußabdruck der gesellschaftliche Rohstoffbedarf bis auf die Produktebene heruntergebrochen und reguliert werden könnte.
Im abschließenden politischen Panel diskutierten die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesumweltministeriums Dr. Bettina Hoffmann, Prof. Dr. Bringezu, Rhoda Viajar und Hannah Pilgrim über mögliche Wege in eine ressourcenleichte Rohstoffpolitik. Hannah Pilgrim erläuterte dabei, welche grundlegenden Herausforderungen der AK Rohstoffe in der derzeitigen rohstoffpolitischen Ausrichtung Deutschlands und der EU sieht und warum die absolute Reduzierung des Rohstoffbedarfes dringend Einzug in die Gesetzgebung finden muss. Ein positives Signal für diese Forderung sendete Dr. Bettina Hoffmann, die sich optimistisch zeigte, dass die in Kürze erscheinende Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ein entsprechendes Reduktionsziel enthalten würde, was auch von Prof. Dr. Bringezu begrüßt wurde. Auch Rhoda Viajar bekräftigte, dass eine Begrenzung des Rohstoffverbrauchs im Globalen Norden dringend geboten sei, um die Lebensweise der Menschen in Bergbaugebieten, wie in den Philippinen, nicht noch weiter zu gefährden. Gerechtigkeit könne nur gewährleistet werden, wenn eine Begrenzung des Rohstoffkonsums stattfindet und globale Gerechtigkeitsfragen nicht aus dem Auge verloren werden.
Für den Sonntagabend hatte das Forum Umwelt und Entwicklung (FUE) ein politisches Konzert mit Ahabs Linkes Bein und Shubangi organisiert. In ihren Texten gingen die beiden Musiker*innen auf Widerstand und Hoffnung im Angesicht weltweiter Umweltzerstörung ein. Marie-Luise Abshagen (FUE) ergänzte dies durch einen Vortrag über die Probleme des Carbon Capture and Storage (CCS) aus Perspektive des Umweltschutzes und globaler Gerechtigkeit.
Die Alternative Rohstoffwoche endete am Montag den 14. Oktober mit zwei spannenden Webinaren. Die Heinrich-Böll-Stiftung hatte unter dem Titel „The Raw Materials Situation in Neighbouring European Countries“ Kety Gujaraidze (Green Alternative Georgia, Tbilisi) Artur Grigoryan, (Transparency International Anticorruption Centre, Yerivan), Majda Ibraković (Eko Forum Zenica) und Predrag Momčilović (Centre for Green Politics, Belgrade) eingeladen, die über die Situation von Bergbau in Bosnien und Herzegowina, Armenien, Serbien und Georgien berichteten. Johanna Sydow von der Heinrich-Böll-Stiftung präsentierte die gleichnamige Broschüre, welche als gemeinsames Projekt veröffentlicht wurde. Im Anschluss fand eine von WEED e.V. organisierte Einführung und kritische Analyse der deutschen Halbleiterstrategie statt. Julia Albrecht von WEED und Peter Pawlicki von Electronics Watch erklärten die Details des European Chips Act, welcher die europäischen Anteil an der globalen Halbleiterproduktion mehr als verdoppeln soll und diskutierten, warum die derzeitige Strategie nicht in der Lage ist, strategische Lücken in der Produktionslandschaft auszunutzen.
Damit kam die 5. Alternative Rohstoffwoche und der 2. Rohstoffgipfel zu einem erfolgreichen Abschluss. Zahlreichen Teilnehmer*innen wurde damit ein besonders vielfältiges Programm zu aktuellen rohstoffpolitischen Diskussionen geliefert, die Vernetzung zwischen verschiedenen Akteur*innen gestärkt und die Forderungen des AK Rohstoffe an die Politik und Öffentlichkeit herangetragen. Wer weiterhin auf dem Laufenden gehalten werden möchte, sei der dreimal jährlich erscheinende Newsletter des AK Rohstoffe empfohlen.
Ein großes Dankeschön richtet sich an alle Organisator*innen, Panelist*innen und Besucher*innen – wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit für eine ressourcenleichte Zukunft!
[1] Zitat von Railson Guajajara während seines Impulses auf dem 2. Rohstoffgipfel
Autor: Tom Knuf